Community Management statt Facebook

von Bernhard Steimel
24. Oktober 2013
Community Management: Warum Unternehmen in die eigene Community statt in Facebook investieren sollten. Smarter Service Talk mit Brian Kling.

Erfolgreiches Community Management

„Über eine Plattform wie Facebook erreicht ein Unternehmen vor allem die bestehenden Kunden. Es ist jedoch schwierig, die Beziehung zu diesen Kunden zu verbessern oder zu intensivieren. Das Unternehmen konkurriert hier mit dem Freundeskreis des Nutzers, mit seiner Familie und den anderen Personen, mit denen er vernetzt ist. Und die Beziehung des Nutzers zu Freunden ist natürlich viel stärker als die zu einer Marke.“


Brian Kling Brian Kling, auch bekannt als „Mr. Forums“ und Director Social Strategy Consulting EMEA bei Lithium, spricht im ersten Teil des Smarter Service Talks über Special-Interest-Communities mit einfacher Plattform-Technologie, den herrschenden Ton, das exklusivere Verhältnis zwischen Kunde und Unternehmen und erfolgreiches Community-Management.

Warum machen Online-Communities im Facebook Zeitalter (noch) Sinn?

BRIAN KLING: Online-Communities sind wichtig, weil ein Unternehmen in einem sozialen Netzwerk wie Facebook zwar mitmachen, dort aber keine eigenen Pläne verwirklichen kann. Steuern lässt sich die Kommunikation nur in einer eigenen Community, deren Nutzer sich dort angemeldet haben und die daher nicht Mark Zuckerberg „gehören“. Hier sind auf jeden Fall bessere Analysen möglich.

Welche strategischen Zielsetzungen lassen sich mit Community-Projekten aus Sicht der Geschäftsführung erreichen?

BRIAN KLING: Social war eine neue Sache und große Firmen haben gleich zu Beginn versucht, diese Kanäle zu nutzen. Das ging von unten nach oben, denn die Mitarbeiter wollten damit vorwiegend experimentieren. Jetzt sind soziale Medien nichts Neues mehr, sondern sie sind im Alltag unserer Gesellschaft angekommen. Nötig ist somit eine Strategie. Unternehmen müssen konkrete Ziele für ihr Social-Media-Engagement formulieren.

Ich war zum Beispiel beim Softwarehersteller AutoDesk für das Community-Management zuständig, insbesondere für den Bereich Support. Unsere Zielsetzung war es, neue Kunden zu gewinnen. Wir konnten mit dem damaligen Supportmodell aber nicht skalieren. Mit Einführung der Community war das dann möglich. Das Unternehmen betreute immer mehr Kunden, ohne zusätzliche Support-Mitarbeiter einstellen zu müssen. Es gelang uns, einen jährlichen ROI von mehr als 6 Millionen Dollar zu erwirtschaften, weil 53 Prozent aller Kunden ihre Probleme in der Community lösen konnten. Das lag vor allem daran, dass dort Kunden einander gegenseitig helfen. Bei Swisscom werden sogar 96 Prozent aller Fragen in der Community von Kunden beantwortet. Es muss nicht immer das Unternehmen sein, das die Kundenanliegen bearbeitet.

Wie unterscheiden sich Service-, Innovation-, Social Commerce- und Brand-Communities voneinander? Welche ist die Richtige für mich?

BRIAN KLING: In fast jedem Bereich macht die Community Sinn. Man kann ganz einfach zeigen und damit beweisen, ob über die Marke oder das Produkt im Internet gesprochen wird, ob Konversation stattfindet. Die Gespräche zwischen Unternehmen und Kunden können privat im geschützten Bereich stattfinden, aber ich empfehle, sie öffentlich in der Community zu führen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil von Usern generierte Inhalte bevorzugt indexiert werden und so die Resultate der Suchmaschinen deutlich verbessern: Bei Autodesk landet 40 Prozent des search traffics direkt in der Community – bei Univision sind es sogar 60 Prozent.

Wie entdecke ich die „Real-Word“-Community meiner Kunden?

BRIAN KLING: Über Social Media können ganz neue Beziehungen zu Kunden geschaffen werden, ein tieferes Verständnis der Kunden ist möglich. Über eine Plattform wie Facebook erreicht ein Unternehmen vor allem die bestehenden Kunden. Es ist jedoch schwierig, die Beziehung zu diesen Kunden zu verbessern oder zu intensivieren. Das Unternehmen konkurriert hier mit dem Freundeskreis des Nutzers, mit seiner Familie und den anderen Personen, mit denen er vernetzt ist. Und die Beziehung des Nutzers zu Freunden ist natürlich viel stärker als die zu einer Marke. Eine Studie, die Lithium neulich in Zusammenarbeit mit ComScore durchführte, ergab, dass Communities im Monat 450 Prozent mehr „unique visitors“ generieren als eine gebrandete Facebook-Seite. Zudem verbrachten diese visitors im Durchschnitt 1300 Prozent mehr Zeit in der Community im Vergleich zu Facebook.

Man sollte auch immer schauen, ob nicht bereits eine Special-Interest-Community existiert. Im Fall von Autodesk war das CAD.de. Wir hatten uns daher entschieden, keine eigene deutschsprachige Community aufzubauen. Jedoch haben Special-Interest-Communities meist ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung und nutzen aus dem Grund einfache Plattform-Technologien. Unternehmen können dort nicht das breite Spektrum an Interaktion und Möglichkeiten bieten, das sie für wichtig halten.

Bauen sie hingegen eine eigene Community auf, können sie zum Beispiel Gamification integrieren. Durch ein Status- und Rankingsystem können Sie explizit anerkennen, was ihre Kunden und Nutzer für andere Personen leisten und die „Super User“ in ihrem Tun bestätigen. Ein weiterer Vorteil ist es, eine ausgefeilte und möglicherweise unternehmensübergreifende Content-Strategie umsetzen zu können, denn einzelne Inhalte können auch an anderen Stellen publiziert werden. Dies betrifft nicht nur den Support-Bereich, sondern auch das Marketing.

Ich denke, es beschleunigt die Prozesse im Unternehmen, wenn die Erfahrungen aus der Community gebündelt werden. In einer Community muss der Dialog mit den Nutzern auf Augenhöhe geführt werden. Um hier erfolgreich Services zu organisieren und die Kunden zu binden, muss das Unternehmen sehr genau darauf achten, welcher Ton herrscht, welche Worte gewählt werden und wie Kommunikations-Atmosphäre insgesamt gestaltet ist.

Oftmals findet das Gros der Interaktionen in bereits bestehenden Special Interest Internet-Foren statt. Was ist der Mehrwert, den ich durch Aufbau einer eigenen Community bieten kann?

BRIAN KLING: Super User und Anwender der Produkte eines Unternehmens sind in hohem Maße daran interessiert, Einfluss auf die Entwicklung dieser Produkte zu haben. Wenn sie nur in der Special-Interest-Plattform bleiben, ist es nicht sicher, ob sie diesen Einfluss wirklich haben können. In einer eigenen Community kann ein Unternehmen dies aber ermöglichen.

Es kann dem erfahrenen Kunden vermitteln: Wir haben Programme, wie wir Dich stärker einbeziehen können, wir wollen deine Vorschläge und Ideen. Wir haben eine hohe Wertschätzung für das, was du einbringst und bieten dir im Gegenzug weitere Mitwirkungsmöglichkeiten an. Du weist uns auf Dinge hin, über die wir selbst noch gar nicht nachgedacht haben. – Der Community-Nutzer erkennt also, dass das Verhältnis zwischen ihm und dem Unternehmen exklusiver wird, und das spornt ihn an.

Auf der Community-Plattform kann zum Beispiel ein privater Bereich eingerichtet werden, zu dem nur ausgewählte, besonders aktive oder interessierte Kunden Zugang haben. Das Unternehmen kann hier spezielle Programme oder Live-Events anbieten, über die Nutzer anderer Plattformen nichts erfahren. Zugang zu Live-Events zu haben, ist ein bedeutender Mehrwert. Dadurch können die Menschen real zusammengebracht werden, die sonst nur auf digitalem Weg miteinander kommunizieren.

Auch Training ist ein relevantes Thema. Das Unternehmen kann zum Beispiel Zertifikate verleihen, die für den Berufsweg eines Super Users relevant sind und ihn hier voranbringen. Es geht also nicht nur darum, seine Hilfe im Support-Bereich der Community in Anspruch zu nehmen, sondern man kann Effekte erzeugen, die die Fähigkeiten des besonders aktiven Community-Mitglieds weiter verbessern und ihm damit vielleicht auch beruflich weiterhelfen.


Teil 2 des Interviews.

2 Kommentare

Hans Bayartz 24. Oktober 2013 - 15:20

Denkt bitte auch an geschlossene Soziale Netzwerke – bei guter Software können alle möglichen (bisher als Insellösung genutzten) (Software-)Lösungen integriert werden und ganz neue Kommunikations- und Informations-Chancen eröffnen ….

Antwort
Die Tugenden eines Community Managers. | Smarter Service 21. November 2013 - 8:31

[…] Teil 1, 2 und 3 des Interviews. […]

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